Es ist Sommer und manchmal bedeutet das sogar in Deutschland, dass es dann auch heiß ist. Getränke sollen dann bitte erfrischen und schön kühl sein. Es dauert also nicht lange, bis bei der Gartenparty jemand Eiswürfel in den geliebten Riesling wirft oder den Silvaner mit Sprudel auffüllt. „Frevel, Schande!“, rufen die einen, während die anderen schulterzuckend ihre frisch gemischte Schorle genießen. Und schon hat man ein Gesprächsthema: Darf man das, kostbaren Wein so strecken, dass er quasi zu Wasser wird?
„Selbstverständlich“, findet Christoph Hammel. Er ist Winzer aus Kirchheim an der Weinstraße, und „bei uns ist Weinschorle ein Nationalgetränk, ein heiliges sogar!“ Hier in der Pfalz gehört die Schorle auf jedes Weinfest, zum Feierabend und auf die Terrasse. Sie sei mehr als einfach nur irgendwie verlängerter Wein, sagt Hammel, und es sei wichtig, „die Schorle sehr ernst zu nehmen“. Denn eine pauschale Absolution zum Panschen ist sie nicht, im Gegenteil: das Panschen ist eher für ihren schlechten Ruf verantwortlich. Weinschorle ist nicht gleich Weinschorle. Und beachtet man ein paar Grundregeln, kann aus ihr sogar die edelste Form des Wassertrinkens werden.
Das Verhältnis
Üblicherweise mischen Deutsche ihre Weinschorle wie Apfelsaftschorle: halb-halb. Das ist der erste und zugleich der vermeidbarste Fehler. Denn zuviel Wasser überstreckt und überfordert auch den kräftigsten Wein und raubt ihm seinen Geschmack. Ein Grund, warum Weinschorle so in Verruf ist, liefert vielerorts die Gastronomie, die immer wieder die minderwertigsten Weine mit so viel Wasser verdünnt, dass kein Geschmack mehr bleibt. „In der Pfalz wäre das undenkbar“, glaubt Hammel. „Wenn hier ein Restaurant irgendwelche Ladenhüter zu Schorle macht, dann ist der Ruf irreparabel zerstört.“
Hammels Branchenkollege Serhat Aktas sieht das nicht ganz so dramatisch, aber auch er hält gut gemachte Schorle für ein wunderbares Getränk. „Es kommt auf das Mischverhältnis an“, sagt Aktas, der als Sommelier in Berlin arbeitet; der Wasseranteil sollte zwischen einem Viertel und einem Drittel liegen, je nachdem, wie viel Körper ein Wein hat und natürlich auch ein wenig nach persönlichem Geschmack. Bei einem Wasseranteil von maximal einem Drittel bleiben Charakter und Aromenstruktur des Weins erhalten, kurzum: Er bleibt schmeckbar. Atkas rät auch dazu, als Gast bei der Schorle selbst zu mischen und Wein und Sprudel einfach getrennt zu bestellen.
Das Wasser
Die richtige Mineralwassersorte spielt für die Qualität einer Weinschorle eine größere Rolle, als viele glauben. Am besten wählt man ein Wasser ohne zu starken Eigengeschmack. Zu viele Mineralien überlagern den Wein. Besonders ungünstig wäre Heilwasser, weil dessen meist hoher Eisenanteil jeden Wein schnell ungenießbar machen kann. Kohlensäure im Wasser sorgt für Frische. Aber Vorsicht, sie macht auch ein „härteres“ Mundgefühl und verstärkt die Säure des Weins. Rebsorten mit viel Säure wie zum Beispiel Riesling vertragen ein Medium-Wasser besser, Grauburgunder, Chardonnay oder Silvaner können dagegen ein Classic-Wasser mit mehr Kohlensäure wegstecken. Sehr ernst nehmen es wieder die Pfälzer.
„Auf Weinfesten wird gerne über das richtige Wasser philosophiert“, sagt der Winzer Christoph Hammel. „Und auch gerne so lange gesucht, bis der Stand mit der besten Schorle gefunden wurde. Und dann spricht sich das rum, die beste Schorle gibt es an Stand fünf.“ Auch Hammel öffnet sechs Mal im Jahr sein Weingut für Gäste, bei seinen Weinfesten gibt es „Schorle aus dem Schobbe-Glas. Ich bin doch als Winzer stolz, wenn mein Wein auch mit Wasser schmeckt.“ Hammel hat aber auch die Erfahrung gemacht, dass die Wasserwahl bei Schorletrinkern ein bisschen Geschmackssache ist. Er rät also: herumprobieren und das Lieblingswasser selbst finden.
Der Wein
Der nächste Kardinalfehler ist die Annahme, dass es unerheblich sei, welchen Wein man nehme. „Ein völliger Irrtum“, sagt Christoph Hammel. Im Gegenteil, Wasser verstärke sogar die Fehlaromen eines Weines. „Wenn sie einen Wein mit einem Korkfehler haben und den mit Wasser verdünnen, dann schmecken sie nur noch den Fehler, die stärksten Aromen bleiben bestehen“, sagt der Winzer. Eine Schorle kann also nur so gut sein wie der Wein, den man verwendet. „Deswegen lohnt es sich, zu soliden Winzerweinen zu greifen“, sagt Hammel.
In der Pfalz nimmt man dafür den klassischen Riesling in der Literflasche. Aber natürlich hat auch die Qualitätsregel Grenzen. Ein extrem eleganter (und teurer) Wein wäre wiederum zu schade. Weil hier auch wenig Wasser zu Lasten der Nuancen geht. Im Mittelmaß liegt also der richtige Weg. Dann funktioniere Schorle mit Weiß-, Rot- oder Roséwein, jede schmeckt anders, jede hat ihre Vorzüge, sagt der Berliner Sommelier Serhat Aktas. Und räumt so gleich mit dem gängigen Vorurteil auf, dass eigentlich nur Weißweinschorle vertretbar sei.
Die Weißweinschorle
Für Weißweinschorle ist Riesling der Klassiker. Sie ist besonders erfrischend an heißen Tagen, da sie Säure mitbringt und Rieslingaromen gut zum Sommer passen: Zitrusfrüchte, Quitte, Pfirsich und Birne. Serhat Aktas empfiehlt kräftige Weine wie zum Beispiel den „Riesling Kabinett trocken“ vom Weingut Schloss Vollrads aus dem Rheingau (12,50 Euro). „Ein säurebetonter, saftiger Riesling, der hat Kraft und Intensität und eignet sich super für die Schorle.“ Wer seine Schorle lieber mit etwas mehr Kohlensäure trinkt, dem empfiehlt Aktas Chardonnay, Silvaner oder Grauburgunder. Weine wie den Chardonnay von Johannes Balzhäuser (7,90 Euro) zum Beispiel, der weniger Säure und viel Frucht hat und insgesamt eine cremigere und kräftigere Schorle ergibt. Ein sommerlich-exotisches Ergebnis, so Aktas, erziele man mit der vor allem in Portugal angebauten Rebsorte Alvarinho, die eine ähnliche Säure wie der Riesling hat, aber Aromen von gelben, süßen Früchten, wie gelber Apfel, Kaki und Aprikose.
Die Roséschorle
Wie Rosé selbst werden auch Roséschorlen immer beliebter. Die Farbe passt offenbar ebenso gut zum Sommer wie die feinen Beerennoten. Zudem verträgt Rosé meist Wasser mit Sprudel. Besonders gut eignen sich Sorten mit fruchtigen Aromen, wie ein Spätburgunder-Rosé. Sommelier Serhat Aktas mischt gern Muskat-Trollinger-Rosé vom biodynamischen Weingut Schmalzried (10,80 Euro) mit einem Classic-Wasser. „Dieser Wein hat besonders intensive Aromen von Rose und Erdbeeren und eine natürliche Restsüße. Durch das sprudelige Wasser bekommt er etwas mehr Säure und die Süße wird ein wenig verdünnt, da riecht man rein und das ist richtig toll.“
Die Rotweinschorle
Der fast schon historische Hinweis, Rotweine bei Zimmertemperatur zu servieren, führt immer wieder dazu, dass die Flasche noch bei 30 Grad Außentemperatur auf dem Tisch stehen bleibt. Bei 13 bis 14 Prozent Alkohol kann das dann ordentlich im Hals brennen und auch den besten Wein ungenießbar machen. Zuerst den Rotwein im Sommer also bitte etwas kühlen. Rotweinschorle ist zwar immer noch die Ausnahme, aber das Wasser kann einen kräftigen Wein geländegängiger und damit auch sommerlicher machen. Das Ergebnis ist oft sogar interessant. Doch auch hier Vorsicht bei Wasser mit viel Kohlensäure, denn die verstärkt nicht nur Säure, sondern auch die Wahrnehmung von Tanninen. Schorle-Rotwein sollte daher nur wenige Gerbstoffe haben. Ein guter Tipp sind Spätburgunder, Dornfelder, Merlot und Trollinger. Ebenso eignet sich auch Sangiovese. Er hat eine schöne Frische und Säure und nicht zu viele Gerbstoffe.
Das Plädoyer
Für eine Schorle muss sich also niemand schämen. Und merke: Vorgebliche Wein-Connaisseure, die den Mix mit Wasser pauschal brandmarken, entlarven sich selbst als Nichtkenner. Christoph Hammel rät Schorletrinkern, die auf Sommerpartys kritisiert werden, außerdem dazu, im Gespräch den großen Bogen zu spannen. Er hat in Wien Weinbau studiert. „Dort gehört der G’spritzte zum Sommer, in jeder gesellschaftlichen Schicht.“ Selbstverständlich schämen sich die Wiener für ihren Klassiker nicht, ob als Aperitif oder unkomplizierter Essensbegleiter. „Aber die Tradition der Schorle ist im Grunde noch älter“, erklärt Hammel.
Römische Soldaten im Feld hatten ein Anrecht auf ein ordentliches Tagesquantum Wein. Und sie tranken ihn nie unverdünnt. Viele Weine wurden eingedickt gelagert, hatten eine ölige Konsistenz und einen sehr hohen Alkoholgehalt. Man mischte Wein stets mit kaltem oder sogar warmen Wasser. „Auch hatte Wasser in der Antike eine schlechte Qualität und Alkohol eine antibakterielle Wirkung“, sagt Hammel. Gut, letzteres muss man nicht unbedingt als Argument für den heutigen Schorlegenuss anführen. Doch der Wasserverdünner darf sich als ehrenvoller Erbe pfälzischer, römischer und Wiener Traditionen fühlen. Und wenn er in die Pfalz reist, sollte er wissen, dass die Schorle dort den männlichen Artikel trägt. Her mit dem Schorle!, ruft man dort.
Quelle: Von Patrick P. Bauer, http://www.sueddeutsche.de/stil/essen-und-trinken-weinschorle-hat-einen-schlechten-ruf-voellig-zu-unrecht-1.4051479